Amtsgericht Wuppertal, Urteil vom 24.1.1993 - 39 C 0/93

Amtsgericht Wuppertal

Im Namen des Volkes

Urteil

39 C 110/93

verkündet am 24. November 1993

In dem Rechtsstreit

Kläger,

 - Prozessbevollmächtigte:

gegen

 Beklagten,

- Prozessbevollmächtigte:

 

hat das Amtsgericht Wuppertal

auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1993

durch den Richter

für   R e  c h t   erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits .

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung  in Höhe von DM 750,00 abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse geleistet werden.

 

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten über den Umfang eines dem Beklagten zustehenden Jagdausübungsrechts.

Die Kläger sind Eigentümer eines Anwesens am … Weg in Wuppertal. Sie unterhalten eine Reithalle, in der ständig mehrere Pferde gehalten und geritten werden. Die Reithalle liegt inmitten des gemeinschaftlichen Jagdbezirks … der Jagdgenossenschaft Wuppertal, dessen Pächter der Beklagte ist. Der Beklagte übte und übt auch in unmittelbarer Nähe der Reithalle die Einzel- sowie die Gesellschaftsjagd aus. U. a. fanden am 28.12.1991 sowie zur Jahreswende 1992/93  Treibjagden statt, in deren Verlauf zahlreiche Schüsse abgegeben wurden.

Die Kläger behaupten, anlässlich der Treibjagd im Jahre 1991 sei der Kläger zu 1) ein durch den Schusslärm erschrecktes Pferd auf den Fuß getreten; im Verlauf der Treibjagd 1992/93 habe der Schusslärm das “Durchgehen” eines Pferdes bewirkt, dessen Reiterin sich nur mit Mühe habe im Sattel halten können.

Die Kläger sind der Ansicht, weiterer Schusslärm könne jederzeit ein unkontrolliertes Verhalten der Pferde und gleichzeitig eine Gefährdung von Menschen hervorrufen; die Jagdausübung sei daher in der näheren Umgebung der Reithalle verboten.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, unter Androhung von Geld- und Haftstrafen in gesetzlich zulässiger Höhe es zu unterlassen, in einem Umkreis von mehr als 300 m von der Reithalle auf ihrem Anwesen die Jagd mit Schusswaffen auszuüben, ohne mindestens zwei Tage vorher mitzuteilen, welche Art der Jagdausübung (Einzel- oder Gesellschaftsjagd) und in welchem Zeitraum beabsichtigt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Jagdausübung in ländlichen Gegenden sei ein seit Jahrhunderten gefestigtes Recht; eine räumliche Beschränkung in der Nähe von Reiter-/Bauernhöfen führe zum faktischen Erliegen der Jagd.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist nicht begründet.

Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die begehrte Unterlassung.

Ein solcher Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit §§ 6, 20 BJagdG.

Gemäß § 6 BJagdG ruht die Jagd nur auf solchen Grundflächen, die keinem Jagdbezirk angehören oder die befriedete Bezirke darstellen. Das Grundeigentum der Kläger ist jedoch gerade Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks … und zudem im Sinne des § 4 LJG-NW kein befriedeter Bezirk. Das die Reithalle umgebende Grundstück erfüllt nicht die Voraussetzungen eines “Wildgeheges” gemäß § 4 Abs. 1 lit. d)  LJG-NW. Geschützt sind insoweit nur Schaugehege (vgl. Schandau/Drees, Das Jagdrecht in NRW, 3. Aufl. 1986, § 6 BJagdG), d. h. Flächen, die der dauernden Unterbringung von Wild oder seltenen Haustieren dienen. Pferdekoppeln bzw. nicht überdachte Reitplätze erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Die Jagdausübung des Beklagten in unmittelbarer Nähe der Reithalle verstößt ebenfalls nicht gegen das örtliche Verbot de § 20 Abs. 1 BJagdG. Die Jagd – mithin auch die Jagdausübung – ist danach nur verboten, wenn nach den konkreten Umständen im Einzelfall eine Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bzw. eine Gefährdung von Menschen zu befürchten wäre. Allein eine abstrakte Gefährdung von Menschen macht dagegen die Jagdauübung nicht unzulässig, wie auch die Störung der Ruhe nur eines einzelnen Menschen nicht ausreichend ist (Schandau/Drees, aaO, § 20 BJG).

Eine Gefährudng oder Belästigung durch Geschosse oder Geschossteile selbst, wird von den Klägern bereits nicht behauptet. Aber auch insoweit eine indirekte Gefährdung von Menschen durch den Schusslärm behauptet wird – dies zugunsten der Kläger unterstellt -, stellt dies vorliegend lediglich eine Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos dar. Die Jagd mit Schusswaffen ist notwendigerweise mit einer plötzlichen auftretenden Geräuschentwicklung verbunden. Die abstrakte Gefahr, dass die auf dem klägerischen Grundstück gehaltenen Pferde bei Schusslärm scheuen, durchgehen etc., ist demgegenüber nicht geeignet, die Jagdausübung in einem Umkreis von 300 m um die Reithalle unzulässig zu machen. Unabhängig davon, dass eine Gefährdung von Menschen überhaupt nur zu solchen Zeiten in Betracht kommt, zu denen sich tatsächlich Personen in der Reithalle aufhalten, ist die individuelle Reaktion eines Pferdes, welche vom genauen Standort des Schützen, der Zahl der gleichzeitig abgegebenen Schüsse etc. abhängt, nicht generell zu bestimmen.

Die Kläger können ihren Anspruch darüber hinaus ebenfalls nicht auf                                                 §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 858 BGB stützen. Bereits nach ihrem eigenen Vortrag ist die grundsätzliche Jagdausübung des Beklagten durch das ihm zustehende Jagdpachtrecht gerechtfertigt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: DM 5.000,00.