Fehler der Gemeinde im Vorverfahren

 

Kein Ersatz des Wildschadens (2)

Nicht jeder Wildschaden muss auch ersetzt werden. Gerichte lassen einen Anspruch auf Wildschadensersatz häufig auch an Fehlern der Gemeinde im Vorverfahren scheitern.

In WuH 2/2002, Seite 35 wurde dargelegt, dass eine verspätete Anmeldung des Wildschadenersatzanspruches durch den Geschädigten zu dessen Lasten geht und der Anspruch daher allein deshalb nicht mehr durchzusetzen ist. Sofern der Anspruch jedoch rechtzeitig geltend gemacht wird, stellt sich die Frage, wie sich Fehler der Gemeinde im Vorverfahren auf die Durchsetzbarkeit des Anspruches auswirken. Auch hiermit haben sich aktuell zwei der im vorbezeichneten Aufsatz zitierten Gerichtsurteile befasst:

Pflichten der Gemeinde im Vorverfahren:

Neben der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Anmeldung obliegt den Gemeinden – je nach den Vorschriften des jeweiligen Landesjagdgesetzes – auch die

  • unverzügliche Anberaumung eines Termines am Schadensort
  • Ladung aller Beteiligten (Geschädigter, Jadgausübungsberechtigter – beim mehreren: alle!;
  • beim ersten Termin auf Antrag auch schon der Schätzer)
  • Fertigung einer detaillierten Niederschrift über den Termin
  • Zustellung der Niederschrift an die Beteiligten mit Rechtsmittelbelehrung

Fehler der Gemeinde im Vorverfahren:

In Fall des AG Alsfeld, Urt. v. 31.10.2001 – 30 C 744/00 – hatte ein Ortstermin nicht stattgefunden, weil die Parteien einen solchen für entbehrlich hielten. Auf die Durchführung des gesetzlichen Vorverfahrens kann aber – soweit das Landesjagdgesetz dies nicht ausdrücklich zulässt (so z.B. in Bayern) – nicht, auch nicht teilweise verzichtet werden. Da das Feststellungsverfahren insoweit also nicht ordnungsgemäss durchgeführt wurde, wurde der Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch das AG Alsfeld mit folgender Begründung zurückgewiesen: “Er wurde nämlich nicht in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise festgestellt. Hierfür Sorge und Rechnung zu tragen, obliegt dem Beklagten als demjenigen, der seinen Anspruch durchsetzen will.”

Im Fall des AG Bad Neustadt/Saale, Urteil vom 05.10.2001 – 1 C 109/01 – (im Berufungsverfahren bestätigt durch LG Schweinfurt, Urteil vom 16.01.2002 – 43 S 94/01) hatte die Gemeinde den Jagdausübungsberechtigten im Vorverfahren selbst nicht angehört und diesen auch zum unverzüglich anzuberaumenden Schätztermin nicht geladen. Aufgrund dieses Formalfehlers hob das AG Bad Neustadt/Saale den Vorbescheid der Gemeinde mit folgender Begründung auf, was zum Verlust des Wildschadensersatzanspruches führte: “ Der Ladung der Betroffenen zum Schätztermin kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil auf diese Weise ihnen nicht nur das gebotene rechtliche Gehör gewährt wird, sondern weil jeder Beteiligte selbst an der objektiven Feststellung der wahren Schadensursachen mitwirken kann. Der Vorbescheid setzt deshalb ein Prüfungsverfahren unter der Beteiligung des Geschädigten und des Jagdpächters voraus. Da ein solches Prüfungsverfahren nicht durchgeführt wurde, hätte der Vorbescheid nicht erlassen werden dürfen. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, dass deshalb der Vorbescheid keine Rechtsgrundlage hatte und aufzuheben ist.”

Die Rechtsprechung zur Auswirkung von Fehlern im Vorverfahren:

Die Frage, wie sich Fehler im Vorverfahren auswirken, wird von der Rechtsprechung jedoch nicht immer im oben genannten Sinne beurteilt, sondern ist umstritten:

(1) Im Gegensatz zu den vorgenannten Entscheidungen haben folgende Gerichte eine Wildschadenersatzanspruch trotz Fehlern im Vorverfahren bejaht:

  • LG Verden, NdsRpfl. 1966, 16
  • LG Mainz, Urteil vom 25.08.1974 – 3 S 179/73
  • LG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.1975 – 22 S 313/75
  • LG München II, RdL 1976, 210
  • LG Krefeld, NuR 1980, 184

(2) Im Sinne der beiden hier besprochenen Entscheidungen wurde unter anderem mit folgenden Urteilen dem Geschädigten sein Wildschadenersatzanspruch wegen Fehlern im Vorverfahren versagt:

  • OLG Celle, RdL 1966, 135
  • LG Kassel, Urteil vom 12.10.1972 – 1 S 153/72
  • AG Rees, Urteil vom 16.02.1974, EJS IV, Seite 35, Nr. 11
  • LG Arnsberg, Urteil vom 27.05.1975 – 3 S 35/74
  • AG Siegen, Urteil vom 05.10.1976 – JE IX, Nr. 7
  • AG Schleiden, Urteil vom 27.02.1979 – JE IX, Nr. 17
  • LG Hannover, Urteil vom 16.12.1987, JE IX, Nr. 63
  • AG Andernach, Urteil vom 15.04.1997, RdL 1998, 15

Bewertung der Rechtsprechung:

Für die Auffassung (1) wird angeführt, dass es eine unannehmbare Folge sei, dass der Geschädigte wegen seiner (ansonsten) berechtigten Ansprüche gegen den Ersatzpflichtigen bei formellen Verstössen der Gemeinde im Vorverfahren rechtlos gestellt wäre. Er müsste sonst Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegen die Gemeinde geltend machen. Weiter wird argumentiert, dass der Geschädigte schliesslich nichts dafür könne, dass es die Gemeinde gewesen sei, die die Fehler gemacht habe.

Dies ist jedoch nicht schlüssig. Die gegenteilige Ansicht (2) und die beiden hier besprochenen Urteile berücksichtigen nämlich, dass auch der Jagdausübungsberechtigte - genau so wenig wie der Geschädigte - nichts dafür kann, dass die Gemeinde fehlerhaft handelte. Zudem besteht für den Geschädigten ja gerade die Möglichkeit, seinen Anspruch doch durchzussetzen – und zwar genau gegen denjenigen, der für seinen Anspruchsverlust verantwortlich ist: Die Gemeinde! Ausserdem ist der Landwirt in seinem Eigentum, einem im Rahmen des Amtshaftungsanspruches geschützten absoluten Recht geschädigt. Der Jagdausübungsberechtigte wäre dagegen nur mit einem Vermögensschaden belastet.

Die hier besprochenen Entscheidungen des AG Alsfeld und AG Bad Neustadt/Saale bzw. LG Schweinfurt sind daher zu begrüssen und setzen hoffentlich den seit Mitte der 80er Jahre eingeleiteten “richtigen Trend” zu Gunsten des Jagdausübungsberechtigten fort.