Jagdpachtvertragskündigung wegen Ausgabe eines vertragswidrigen entgeltlichen Begehungsscheines
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Jagdpächter - meist aus wirtschaftlichen Gründen - unentgeltliche Begehungsscheine ausgeben, sich hierfür allerdings “unter der Hand” vom Begehungsscheininhaber einen Geldbetrag zahlen lassen. Dabei wird verkannt, dass es sich bei einem derart angeblich unentgeltlichen Begehungsschein rechtlich um einen entgeltlichen Begehungsschein handelt. Mit der Unsitte dieser Vergabepraxis hatten sich erstinstanzlich das Landgericht in Bad Kreuznach und zweitinstanzlich das Oberlandesgericht in Koblenz zu befassen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes in Koblenz wurde bereits in Heft 13 / 2005 Seite 90 kurz angerissen. Wegen der grundsätzlichen und weitreichenden Bedeutung drängt sich die nachfolgende umfassendere Darstellung auf.
Eine Jagdgenossenschaft in Rheinland Pfalz hatte ihren gemeinschaftlichen Jagdbezirk an einen Jagdpächter verpachtet. Im Pachtvertrag war unter anderem geregelt, dass die Unterverpachtung und Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisschein nicht bzw. nur mit Zustimmung des Verpächters und vorbehaltlich der Anzeige bei der Unteren Jagdbehörde erlaubt sei. Darüber hinaus durften höchstens zwei unentgeltliche Jagderlaubnisscheine ausgegeben werden, wobei der für einen angestellten Jagdaufseher erteilte Erlaubnisschein nicht mit zählte. Der Verpächter war zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrages unter anderem dann berechtigt, wenn der Pächter gegen vorbezeichnete Punkte trotz Abmahnung zuwider handelt.
Als Sonderbedingung war ferner vereinbart, dass für den Fall, dass unentgeltliche Jagderlaubnisscheine ausgegeben werden, mindestens einer dieser Scheine an einen örtlich ansässigen Jagdscheininhaber zu erteilen und im Übrigen ein örtlicher Jagdaufseher zu bestimmen sei, der die Zustimmung des Jagdvorstandes finden müsse.
Entgegen vorbeschriebener vertraglicher Verpflichtungen hatte der Jagdpächter allerdings keinen örtlichen Jagdscheininhaber zum Jagdaufseher bestellt. Darüber hinaus hat er auch mehr als die erlaubte Anzahl von Jagdscheinen an Personen vergeben, die keine örtlichen Jäger waren.
Letztendlich hatte sich der Jagdpächter für die Erteilung jedenfalls eines Jagderlaubnisscheines einen so genannten “Hegebeitrag” in Höhe von ? 1.000,00 pro Jahr zahlen lassen. Dies, so die Jagdgenossenschaft, stelle tatsächlich eine Erteilung eines entgeltlichen Jagderlaubnisscheines dar und berechtige wegen eines Verstoßes gegen den Jagdpachtvertrag ebenfalls zur fristlosen Kündigung.
Nach fruchtloser Abmahnung hat die Jagdgenossenschaft dann unter Bezugnahme auf vorbezeichnete Punkte den Vertrag fristlos gekündigt und den Jagdpächter aufgefordert, es mit sofortiger Wirkung zu unterlassen, die Jagd vor Ort weiter zu betreiben. Nachdem der Jagdpächter der Unterlassungsaufforderung der Jagdgenossenschaft nicht nachkam, hat diese Unterlassungsklage beim zuständigen Landgericht in Bad Kreuznach erhoben.
Die Klage der Jagdgenossenschaft hatte Erfolg. Das Landgericht in Bad Kreuznach urteilte, dass der Klägerin ein Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 1004 BGB auf Unterlassen der Jagdausübung zustehe, da die von ihr ausgesprochene fristlose Kündigung rechtmäßig gewesen sei. Dieser sei nämlich wegen schwerer nachhaltiger Verletzungen vertraglicher Pflichten nach erfolgter Abmahnung die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar.
Die fristlose Kündigung, so das Gericht, könne allerdings nicht darauf gestützt werden, dass der Beklagte nach Abmahnung keinen örtlichen Jäger zum Jagdaufseher bestellt habe. Nach Sinn und Zweck der entsprechenden vertraglichen Regelung solle hiermit lediglich gewährleistet werden, dass der Pächter eine Person als Jagdaufseher benennt, die bereit und in der Lage sei, die anfallenden Aufgaben zu erfüllen. Unter Berücksichtigung aller Umstände könne dies im vorliegenden Falle aber auch eine Person sein, die ihren ersten Wohnsitz nicht vor Ort oder in der unmittelbaren Umgebung habe.
Die fristlose Kündigung könne des weiteren nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Beklagte mehr als einen Jagderlaubnisschein an einen nicht örtlichen Jäger erteilt habe. Nach der gegebenen Sachlage sei selbst dann, wenn ein derartiger Verstoß vorläge, dieser nicht derart erheblich, dass deswegen eine fristlose Kündigung berechtigt wäre. Sinn und Zweck dieser vertraglichen Regelung sei es, bei der eingeschränkten Anzahl zulässiger Jagderlaubnisscheine örtliche Jäger, die an einer Jagdausübung interessiert seien, nach Möglichkeit hieran teilhaben zu lassen. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergäbe sich hier jedoch nicht, dass jagdauübungswillige örtliche Jäger aufgrund der vom Beklagten ausgeschöpften Anzahl von vergebenen Jagdscheinen an einer Ausübung der Jagd gehindert worden seien.
Vom Landgericht Bad Kreuznach wurde die fristlose Kündigung allerdings im Ergebnis dennoch für berechtigt gehalten, weil der Beklagte gegen die Vorschrift des Vertrages zur Vergabe entgeltlicher Jagderlaubnisscheine verstoßen habe. Der Beklagte hat nämlich in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass seine Jagdgäste, denen er einen unentgeltlichen Begehungsschein erteilt habe, ihm Beiträge zur Fütterungs- und Instandhaltungskosten für jagdliche Einrichtungen gezahlt hätten. Bei ihm, dem Beklagten, sei es so, dass derjenige, der bei ihm jage, sich auch an den Kosten für die Fütterung beteiligen müsse.
Das Landgericht stellte zu recht fest, dass das Verlangen dieses so genannten “Hegebeitrages” als verlangte Gegenleistung für die erteilte Erlaubnis zur Jagd zu werten sei. Die Zahlung stehe in einem unmittelbaren Zusammenhang zum eingeräumten Jagdausübungsrecht. Ohne die gewährte Jagderlaubnis sehe sich der Jagdgast nicht gehalten, derartige Beiträge an den Beklagten zu zahlen. Auf die Bezeichnung des Jagderlaubnisscheins als “unentgeltlich” komme es für dessen rechtliche Einordnung nicht an, denn wenn der Pächter von demjenigen, dem er eine Jagderlaubnis in seinem Revier erteilt, einen finanziellen Beitrag an den Kosten der Jagd verlangt, handele es sich der Sache nach um eine “entgeltliche” Jagderlaubnis. Lediglich dann, wenn sich die Leistungen des Erlaubnisinhabers in einem geringfügigen, vernachlässigungswerten Rahmen hielten, könnten sie als gesellschaftliche Gefälligkeitserweisungen unberücksichtigt bleiben. Bei einer Zahlung von EUR 1.000,00 pro Jahr könne aber von einer geringfügigen Gefälligkeitserweisung nicht mehr die Rede sein (Landgericht Bad Kreuznach, Urteil vom 30.04.2004, Az.: 3 O 467/02).
Die gegen diese Entscheidung vom Jagdpächter eingelegte Berufung führte zu keinem Erfolg. Das Oberlandesgericht in Koblenz wies die Berufung nach einem entsprechenden Hinweis mit Beschluss vom 14.04.2005 kostenpflichtig zurück.
Ohne mangels Rechtserheblichkeit auf die übrigen Problempunkte einzugehen, führte das Oberlandesgericht aus, dass die Jagdgenossenschaft zu einer fristlosen Kündigung des Jagdpachtvertrages berechtigt gewesen seien, weil der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Verbot, entgeltliche Jagderlaubnisscheine zu erteilen, verstoßen habe. Zutreffend habe das Landgericht den dem Jagdgast erteilten Jagderlaubnisschein als einen entgeltlichen gewertet. Dabei verkannte der Senat nicht, dass es in Kreisen der Jägerschaft durchaus üblich sei, dass der Inhaber einer unentgeltlichen Jagderlaubnis sich an den im Revier anfallenden Arbeiten sowie auch an den Kosten der Fütterung beteilige, sei es dadurch, dass er selbst Futter besorge und ins Revier bringe, sei es dadurch, dass er sich mit einem kleinen Beitrag an der Anschaffung beteilige. Derartige geringfügige Leistungen auf freiwilliger Basis im Rahmen eines gesellschaftlichen Gefälligkeitsverhältnisses machten die erteilte Jagderlaubnis noch nicht zu einer entgeltlichen. Hier liege der Fall jedoch so nicht, denn nach den eigenen Angaben des Beklagten müsse derjenige, der bei ihm jagen will, sich an den Fütterungskosten beteiligen. Damit nehme der Beklagte aber nicht nur freiwillige Gefälligkeiten entgegen, sondern “fordere” deren finanzielle Beteiligung an den Kosten der Jagd.
Unabhängig davon sei aber auch schon eine Zahlung von EUR 1.000,00 pro Jahr nicht mehr als geringfügig anzusehen, da jedenfalls ein derartiger Betrag auch in Anbetracht einen Jagdpächter treffenden sehr hohen Aufwendungen für Jagdpacht, Wildschäden usw. den Bereich übertreffe, der noch im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses als angemessen angesehen werden könne (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 14.04.2005, Az.: 10 U 582/04).
Gleichlautend hat bereits das Landgericht in Cottbus mit Urteil vom 14.01.1999, Az.: 4 O 63/98, bestätigt durch das brandenburgische Oberlandesgericht mit Urteil vom 01.12.1999, Az.: 3 U 87/99 entschieden (vergleiche hierzu: von Pückler, Wild und Hund, 7/2002, Seite 80 f.).
Auch das Landgericht in Düsseldorf hat im Jahre 2000 entschieden, dass bei einer damaligen Zahlung eines “Hegebeitrages” in Höhe von DM 4.500,00 und Ausstellung eines “unentgeltlichen” Begehungsscheines tatsächlich ein gegenseitiger Vertrag über die Erteilung einer “entgeltlichen“ Jagderlaubnis zu Stande gekommen sei. Daran ändere auch nichts, dass im Text der Jagderlaubnis diese ausdrücklich als “unentgeltlich” bezeichnet werde, denn die Beteiligten hätte ihre Leistung “Hegebeitrag gegen Jagdausübung” jeweils zur Erlangung der Gegenleistung zugesagt. Jedenfalls dann, wenn eine Jagdgelegenheit “gegen” einen Hegebeitrag angeboten werde, sei daraus eindeutig zu entnehmen, dass dieser als Gegenleistung für die Jagderlaubnis zu zahlen gewesen sei (Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2000, Az.: 22 S214/99; hierzu; von Pückler, Wild und Hund 11/2003,S. 70 f.).
Das Landgericht in Bad Kreuznach sowie das Oberlandesgericht in Koblenz sehen jedenfalls die Zahlung eines Betrages in Höhe von EUR 1.000,00 pro Jahr von einem Jagdgast an einen Jagdpächter – unabhängig von der Bezeichnung des Zahlungsgrundes – nicht mehr als Gefälligkeitsleistung an.
Nach Ansicht des Verfassers dürfte allerdings auch schon bei einer Zahlung ab 500,00 EUR pro Jahr nichts anderes gelten.
Der bedauerlicherweise sehr häufig vorgenommenen Unsitte von Jagdpächtern, angeblich unentgeltliche Begehungsscheine zu vergeben, sich hierfür aber eine nicht unerhebliche Gegenleistung zahlen zu lassen, ist damit nunmehr zurecht durch entsprechende Gerichtsurteile ein Riegel vorgeschoben worden. Wird diese Vorgehensweise bekannt, riskiert der Jagdpächter nach vorheriger fruchtloser Abmahnung die fristlose Kündigung seines Jagdpachtvertrages mit allen damit zusammenhängenden weitergehenden Nachteilen (z.B.: eventuelle Schadensersatzverpflichtungen gegenüber der Verpächterseite).
In der Regel ist die Vergabe mindestens eines entgeltlichen Begehungsscheines (mit vorheriger Zustimmung des Verpächters) vertraglich erlaubt. Hiervon sollte dann auch vertragsgemäß und korrekt Gebrauch gemacht werden.
Der “unentgeltliche” Begehungsschein sollte das sein und bleiben, was damit beabsichtigt ist: Die Einräumung einer Jagderlaubnis ohne jegliche finanzielle Forderung oder Verpflichtung, soweit es sich nicht um kleinere Gastgeschenke oder sonstige übliche geringfügige Mithilfe im Jagdrevier handelt.
Rechtsanwalt Ralph Müller-Schallenberg, Leverkusen
Über die Autoren
Ralph Müller-Schallenberg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Arbeitsrecht sowie Spezialist für
Jagd- und Waffenrecht.
Gregor Hugenroth
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Agrarrecht sowie Spezialist für
Jagd- und Waffenrecht.
Schwerpunktbereiche:
Jagd- /Waffen- /Agrarrecht, Sprengstoffrecht